Nach langer Corona-Pause plante Sven die erste gemeinsame Los Picos Ausfahrt. Eine Doodle-Liste zur Terminabstimmung fand wenig Beteiligung. Schade. Die von mir favorisierten Termine verstrichen. Ich ging davon aus, dass keine gemeinsame Fahrt stattfinden würde. Aber dann, ziemlich kurzfristig: „Wir fahren am 26.9.“ Lange war unklar, ob ich mitfahren konnte. Eigentlich hatte ich Kinderdienst. Meine Frau war dann aber doch zu Hause und ich entschied mich, mitzufahren.
Der Plan sah vor, dass wir gemeinsam mit dem Zug nach Zittau fahren. Dort dann 115 Kilometer Radfahren, um mit dem gleichen Zug zurückzufahren. Zwischendrin sollte es die berühmten böhmischen Knödel geben.
Der Zug sollte 5:30 Uhr am Ostkreuz abfahren. Aufgrund der langen Anfahrt ungnädig früh für mich. Darum entschied ich mich, in Königs Wusterhausen zuzusteigen. Als ich gerade auf dem Weg zum Bahnhof war, klingelte mein Telefon: „Wir sitzen im falschen Zug. Fahren nun eine andere Strecke und sind erst um 8 Uhr in Cottbus.“
Hmpf. Sven schickte mir die digitale Fahrkarte, sodass ich nach Cottbus vorfahren konnte. So war ich bereits um 7 Uhr dort und wartete auf die anderen. Ich sah noch unseren Anschlusszug wegfahren. Der nächste sollte erst 2 Stunden später fahren. Also 2 Stunden warten. Ich begab mich in die Bahnhofshalle. Der Bäcker hatte bereits offen, war allerdings richtig voll. Darum ging ich zur Fleischerei gegenüber. Bockwurst und ein Pott Kaffee für 2,80 Euro. Billiger als beim Bäcker.
Ich grübelte etwas über meinen Spruch, dass es die besten Brötchen in Cottbus gibt. Und ja, ich konnte den Spruch bestätigen: Die besten Brötchen gibt es in Cottbus beim Fleischer. Allerdings muss ich wohl noch einmal nach Cottbus radeln, um die Brötchen vom Bäcker zu testen. Vielleicht sind die ja noch besser.
Nach dem Frühstück wartete ich in der Bahnhofshalle. Ich checkte noch einmal die Abfahrtstafel. Der nächste Zug nach Zittau fuhr wirklich erst 9:04 Uhr. Ich hätte also so schön 2 Stunden länger schlafen können. Kurz nach 8 Uhr stiegen dann die Zugfahrprofis aus dem Zug. Leicht enttäuscht über die zweistündige Verspätung, aber trotzdem gut gelaunt. Auch sie entschieden sich für Frühstück in Cottbus. Ich machte Werbung für das Angebot der Fleischerei.
Pünktlich stiegen wir dann in den nächsten Zug nach Zittau. Ganz entspannt quasselten wir über allerlei Zeug. Mitunter definierten wir uns auch ein neues Ziel. Es war ja nun schon ziemlich spät. Unser neuer Plan war: In Zittau einfach einen Döner essen und dann wieder mit dem Zug zurückfahren. Wir entschieden uns dann aber doch fürs Fahrrad.

Kaum aus der Stadt raus, ging es auch schon bergauf. Moderat. Asphalt, Beton und Gravel wechselten sich ab. So hätte es von mir aus bleiben können. Wir fuhren durch Oybin. Es fühlte sich bereits wie in einer anderen Welt an. So ganz anders als zu Hause. Kurz vor dem Ortsausgang ging es dann nach rechts … Thomasweg. Eines der Tageshighlights, auf die ich hätte verzichten können. Steil bergauf. Durchweg zweistellige Steigungswerte. Faustgroße Steine auf dem Weg. Nicht ein paar, sondern richtig viele. Das war ganz klar nicht mein Terrain. Kam damit so gar nicht klar, da ich immer so schaltfaul bin und wenn es schwer wird, gerne im Wiegetritt fahre. Hier aber drehte mein Hinterrad ständig durch. Mein Kopf machte zu, zu groß die Angst vorm Umfallen. Also stieg ich ab und schob. War aber auch völlig egal, weil ich auch fahrend nicht wirklich schneller gewesen wäre.

Die Stimmung in der Gruppe kippte etwas. Ich war nämlich nicht der Einzige, der schieben musste. Moderat, wie angekündigt, war der Track jedenfalls nicht. Schon sehr anspruchsvoll. Es folgten noch zwei weitere Anstiege, die ähnlich anspruchsvoll waren. Die Überquerung der Landesgrenze bekam ich nicht wirklich mit. Ich bemerkte nur ein Hinweisschild: „Na Tokani“ … wir waren also nur noch 0,5 Kilometer von Japan entfernt.

Es folgte der schönste Teil der Strecke. Kleine böhmische Dörfer. Alte Fachwerkhäuser. Daneben selten mal etwas Moderneres. Sah irgendwie total schön aus. Ein wenig erinnerte mich die Strecke an die Straße zum Brocken. Guter Asphalt und eine Bahnstrecke parallel. Nach dem vielen bergauf nun auch mal viel bergab. Ab und zu gab es mal eine kurze, steile „Rampe“, aber auf Asphalt störte mich das nicht wirklich.
Dann ein Picos-Klassiker. Wie immer fuhren wir scheinbar mit unterschiedlichen Trackvarianten. Meiner geht nach rechts, der der anderen geradeaus. Ich entschied mich trotzdem rechts zu fahren, da mir das Ganze nach einer typischen Komoot-Dorf-Abkürzung aussah. An der nächsten Hauptstraßenkreuzung wartete ich. Aber niemand kam. Stattdessen pfiff Sven mich zurück: „Stefan ist knapp an Luft“. Also Zwangspause. Da 3 Leute zum Reifenwechsel mehr als genug waren, setzte ich mich mit Anne an den Straßenrand. Ich packte mein Ahoi-Brause-Pulver aus und wir schwelgten in Kindheitserinnerungen.

Dann ging’s weiter. Zwischen Felsen parallel zu einem Fluss. Ich hatte mir die Gegend nicht so schön vorgestellt. Quasi überall konnte man stehen bleiben, um Fotos zu machen. An einem kleinen See machten wir das dann auch. Es folgte eine Art Fahrradballett. Wir wollten uns während der Fahrt filmen. Anfangs in der Formation Sauhaufen. Nach ein paar Versuchen und ein wenig Hin und Her, schafften wir es dann doch, uns der Größe nach zu sortieren und synchron an der Kamera vorbeizufahren.
Wir überquerten wieder die Grenze nach Deutschland. Sofort war zu merken, dass der Weg sehr viel schlechter wurde. Wir verließen die Kirnitzsch. Zur Abwechslung mal bergab. Sven rief erneut: „Platten!“ Am Berg wollte ich aber nicht anhalten und fuhr einfach langsam weiter. Wollte dann unten warten. Kurze Zeit später überholte mich Sven dann: „Doch nicht.“ Was für eine perfide Taktik. Kurze Zeit später dann schon wieder eine Pause: Anne hatte Hunger. Aber da die Mehrheit in Tschechien essen wollte, gab es nur das, was die Trikottaschen hergaben. Bei mir also eher wenig, da ich nicht so viel dabei hatte. Sven nutzte die Pause, um bei seinem Hinterrad Luft nachzupumpen. Also doch platt … zumindest etwas.
Anschließend ging es auf Asphalt berghoch, wieder in Richtung tschechischer Grenze. Im ersten Dorf hinter der Grenze machten wir schließlich unsere ersehnte Pause. In einem kleinen Imbiss-Restaurant gab es Knödel mit Gulasch plus einem Getränk für 6 Euro. Das ist immer noch sehr preiswert und erinnerte mich sofort ans Ferienlager 1989. Damals war ich auf einem Tagesausflug in Decin und habe dort mit einem Freund im Nobelhotel für 2,5 DM gespeist!

Danach lagen nur noch 30 Kilometer vor uns. 10 davon bergauf, aber der Anstieg war nicht mehr so steil und es gab keinen Schotter mehr – das fuhr sich angenehm. Die restlichen Kilometer waren flach. Wir kamen zehn Minuten vor Abfahrt des Zuges in Zittau an, holten uns noch schnell beim Dönermann drei Bier und traten zufrieden die Rückfahrt nach Berlin an.
Es war ein toller Tag mit netten Leuten. Sollte definitiv wiederholt werden.


